Ulrike Freitag
Ulrike Freitag
#multicolor
Rede von Guido Preuss zur Vernissage einer Ausstellung am 15. Mai 2018
Viel ist über die enigmatische Künstlerin nicht bekannt, deren Werke Sie hier sehen. Sie wurde irgendwann in den 50er Jahren hier in Bonn Beuel geboren. Später arbeitete sie an der Uni in Bonn. Vor 18 Jahren begann sie in einem spontanen Akt der Selbstermächtigung zu malen. Sie kümmerte sich nicht um den Kunstmarkt und dessen Strömungen. Künstlerische Moden waren und sind ihr egal. Sie fand in der Malerei eine Ausdrucksform und einen Kanal für ihre überbordende Gestaltungskraft. Inspiration von anderen Künstlern kamen sie unter Anderem von Niki de Saint Phalle. Ulrike Freitag übersprang allerdings die „Phalle-ische Phase“, auf ihre Bilder zu schießen…
Wir schauen uns um und sehen 15 großformatige Bilder und 2 Stelen. Was sofort ins Auge fällt: das hier sind keine Aquarelle! Es sind auch keine Gemälde im herkömmlichen Sinne und sie sind vor allem eines nicht: monochrom. Ulrike Freitag ist ein Multi-Color-Wesen und lebt in den Farben. Ihre Herangehensweise an Farbigkeit entspricht der einer Köchin, die gerne ins Gewürzregal greift, dabei deftig und zugleich subtil mischt und keinen Unterschied macht, zwischen frisch und eingefroren oder lokal und exotisch. Sie erschafft so eine persönliche Bildsprache, in der sie fröhliche Abstraktion mit ahnungsvoller Zeichenhaftigkeit verbindet. Der Farbauftrag ist unbekümmert und zuweilen gestisch. Dabei schwingen Ihre Bilder in improvisatorischer Frische.
Auf die Frage hin, wie sie sich wünschte, dass die Menschen ihre Bilder betrachten sollten, antwortete Ulrike Freitag: aus der Entfernung!
Deshalb kommen Sie mit auf ein Gedankenexperiment:
Stellen Sie sich vor, Sie sind im Hochgebirge. Sie machen eine Wanderung. Die Begeisterung hat Sie während der letzten Stunden höher und weiter von der Hütte oder Ihrem Zielort weggetragen, als Ihnen lieb ist. Und Sie verlieren so langsam das Gefühl für Distanzen. Das passiert ja gerne mal im Gebirge: Etwas, was ganz nah aussieht, ist eigentlich sehr weit weg und umgekehrt auch. Sie sind also schon seit Stunden unterwegs…
…Das Wasser geht langsam aber sicher zur Neige. Gegessen haben Sie auch nichts. Die Beine werden schwer und die Knie werden weich. Leichte Panik macht sich breit, dass Sie sich verlaufen haben könnten. Und jetzt geht’s nur noch um die Frage: sind hier oben irgendwo Menschen? Oder sind Sie hier ganz auf sich alleine gestellt, und plötzlichen Unwettern hilflos ausgeliefert? Auf einmal entdecken Sie hinter einem riesigen Findling das Bild hier zur linken! …
Was denken Sie jetzt über Ihre Lage? – Erscheint sie Ihnen noch so gefährlich? – Wenn hier im Gebirge so ein Bild ist, dann kann das Leben doch nicht weit sein? Wer hat es hier rauf gebracht?
Ortswechel: stellen Sie sich vor, Sie sitzen in einem Zahnarztstuhl. Sie haben soeben eine Betäubungsspritze bekommen und sollen jetzt warten bis die Anästhesie einsetzt. Die Ärztin mitsamt Assistentinnen hat den Raum verlassen. Man lässt Sie alleine im Stuhl sitzen. Es dauert. Sie warten, bemühen sich ruhig zu bleiben oder zu werden. Leise brummen die Geräte vor sich hin. Der Raum ist karg, die Wände strahlen klinisch im Neonlicht. Und da fällt Ihr Blick an die gegenüberliegende Wand. Zum Beispiel auf das Bild diagonal hinter Ihnen….
Was denken Sie? Vielleicht denken Sie: Gott sei Dank, etwas Menschliches, Fröhliches! In jedem Fall wird Ihnen das Bild helfen, aus der Lage in der Sie sich jetzt befinden – hier im Behandlungsstuhl – mit ihren ziemlich eingeschränkten Möglichkeiten innerlich herauszutreten.
Ulrike Freitags Bilder scheinen zu sagen:
Tritt einfach heraus aus Deinen eingeschränkten Möglichkeiten und erweitere die Perspektive!
Auf mehr kommt es nicht an…nothing else matters!
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
(Text: Guido Preuß)
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